Bierco*cktails: Drink frisch gezapft (2024)

Herrengedeck is back – sort of. Bierco*cktails sind ein Ding. Und: Nein, wir sprechen nicht von Biermischgetränken, sondern von richtig feinen Drinks. Der Barmann Lee Daniel Hobbs gibt hier handfeste Tipps für das richtige Mixen mit Bier.

Bierco*cktails: Drink frisch gezapft (1)

>>>>> Wer sich den Artikel lieber vorlesen lassen möchte: Hier geht es zu unserem Podcast „Beer Talks – Das Bier Radio“. <<<<<

Fancy war noch nie so einfach: Bierchen, Schnaps dazu – fertig ist der derzeit vielleicht coolste co*cktail der Berliner Barszene. Glauben Sie nicht? Klingt wie ein schnödes Herrengedeck? Und wasdaran cool und neu sein soll? Ja nun, wenn man die Craft-Variante des ollen Klassikers serviert, istman mit der „Berliner Strippe“ ganz schnell ganz weit vorn.

So nämlich heißt der wiederentdeckte Klassiker. Und da knallt man dem Gast freilich kein 08/15-Pils plusKorn auf den Tresen, sondern es bedarf einer Berliner Weisse, einer echten und guten, und einesanständigen Kümmelschnapses. Ein ziemlich großartiges Geschmackserlebnis, zitrusfrisch und würzigzugleich, mit dem man die Fraktion Gin-Basil- Smash und andere Bessertrinker hervorragendüberraschen und in einen gelungenen Abend starten lassen kann.

Bierco*cktails: Drink frisch gezapft (2)

Aus Alt mach‘ Neu. Die Berliner Strippe – ein Herrengedeck 2.0 (Foto: NAK)

Bierco*cktails sind die unterschätztesten co*cktails von allen. Eben weil man gedanklich viel zu schnellbei „Bier mit Schnaps“ ist. Und weil es unter den deutschen Biertrinkern viele gibt, die sofort Tod undTeufel schreien, wenn man auch nur andeutet, ihnen etwas ins ach so reine Reinheitsgebotsbierchenzu kippen. In gewisser Weise kann man die auch verstehen. „Bier“ und „mischen“ ruft natürlichschnell den Gedanken an „Biermischgetränke“ hervor, die, vollgepumpt mit Aromastoffen undZuckerlösung, allzu selten große Geschmackserlebnisse oder gar etwas sind, womit sich einBarkeeper, der etwas auf sich hält, sehen lassen möchte.

Klar sollte sein, dass schnödes Billigbier nicht Grundzutat eines gelungenen Biermixes sein kann unddass auch hier – wie bei den Spirituosen selbstverständlich auch – Qualität und Vielfalt gefragt sind.„In der Bar gilt immer: Minus und Minus ergibt nicht Plus! Alle Zutaten müssen top sein. Das ist wiemit dem Make-Up bei einer Frau. Das soll ja auch ihre natürliche Schönheit unterstützen und sienicht zukleistern.“

So sagt das ein Mann, der sich mit Bars und co*cktails ebenso gut auskennt wie – offenbar – mitFrauen: Lee Daniel Hobbs, Halb Engländer, Halb Hamburger und Vollprofi in Sachen Bar. Nach derRestaurantfachschule bildete er sich intensiv und internationale im Bereich Mixologie fort, arbeiteteals Barsupervisor der Marriott Hotels in London und schmiss die Bar des Kempinski in St. Moritz inder Schweiz. Nach seiner Rückkehr an die Elbe, gründete er zwischen Reeperbahn undSchanzenviertel „The Walrus“, wo er unter anderem ganz vorzügliche und einzigartige Bierco*cktailsmixt. Das mache seit ein paar Jahren erst richtig Spaß sagt er, seit er nämlich auch hier inDeutschland Zugriff auf ziemlich viele ziemlich hervorragende Biere hat. Der Craft Beer Bewegungsei’s gedankt.

Bierco*cktails: Drink frisch gezapft (3)

Lee Daniel Hobbs kennt sich aus beim Thema Bieco*cktails (Foto Lee Daniel Hobbs)

„Bierco*cktails lohnen sich für jeden Wirt und Barbesitzer, denn man kann damit zwei Fliegen miteiner Klappe schlagen“, sagt Hobbs. Zum einen dürfte es ja keinem Gastronom entgangene sein, dassdas Thema Bier, insbesondere Craft Beer, in den vergangenen Monaten immer wichtiger gewordenist. Man könnte fast sagen: Dass man darum einfach nicht mehr herum kommt. „Es ist wichtig, CraftBeer anzubieten“, sagt etwa Hobbs. Sonst fehlt einfach etwas, das viele Gäste mittlerweile in dergut sortieren Bar schlicht erwarten. „Immer mehr Kollegen machen das auch und haben fünf oderzehn Sorten auf der Karte. Wenn man aus denen dann auch noch co*cktails mixt, hat man gleich nochein zweites, superspannendes Angebot geschaffen, mit dem man sich von der Masse – und allen anderen, die mittlerweile Craft Beer auf der Karte haben – abhebt.“ Noch sind Bierco*cktails inDeutschland eher selten. Deshalb, so Hobbs, bleibe ein Gin Fizz mit Bier beim Kunden einfach nochtiefer in Erinnerung als ein normaler – so gut der auch gemacht sein mag.Craft Beer allein? Das wäre ein dem-Trend- hinterher-Gerenne. Craft-Beer- co*cktails? Das istAvantgarde. „Und es spart Platz und Lagerfläche, denn das Craft Beer ist ja ohnehin schon da. Mankann das Bier doppelt verwenden“, sagt Hobbs ganz pragmatisch.

Im Grunde hat die Kreativität eines Barmannes bei Bierco*cktails freie Fahrt. Kombinationen mit quasijeder Spirituose seien möglich, sagt Hobbs. Weil zu viele Möglichkeiten die Wahl dann aber ja oftnoch erschweren, hat er auch gleich ein paar handfeste Tipps und Inspirationen für Bierco*cktail-Einsteiger parat: „Oft nehme ich bestehende co*cktails und überlege, ob man die nicht auch mit Biermachen könnte“, sagt er. „Dabei kann man ruhig als Faustregel nehmen: Bei jedem Drink, der mitWasser aufgegossen wird, lohnt es sich, einmal einen Gedanken darauf zu verwenden, ob hier eineVariante mit Bier nicht mal eine tolle Alternative wäre.“

Bierco*cktails: Drink frisch gezapft (4)

Der Kreativität sind bei Bierco*cktails keine grenzen gesetzt (Foto: NAK)

Der bereits angesprochene Gin Fizz, der sonst mit Soda aufgegossen wird, wäre da ein Beispiel. Wennman stattdessen einmal ein schöne, weiches Pale Ale verwendet, bekommt man einen herrlichfruchtigen Drink, der – je nach im Bier eingesetzter Hopfensorte – eine ganz besondere Maracuja-,Mango oder Grapefruit-Note hat. „Ein Bier-Gin- Fizz ist vollmundiger und runder als der klassische GinFizz“, sagt Hobbs, der während seiner zahlreichen Bierversuche ein beständiges Muster erkannt hat:„Die alkoholischen Noten der Spirituose unterstützen die Fruchtigkeit eines Bieres.“ Fruchtig sind inder Regel hopfenbetonte Biere wie Pale Ales, IPAs oder hopfengestopfte Lagerbiere.

Genauso spannend aber seien dunkle Biere, erklärt der Barmann weiter. Hier liegt der Fokus desBrauers für gewöhnlich mehr auf der Malzmischung, die auch die Farbe eine Bieres bestimmt. Oftbringen dunkle Biere Röstaromen, etwas Kaffee, Karamell oder Zartbitter mit. „Solche süßen,schokoladigen Drinks auf Porter oder Stout-Basis sind eine ganz hervorragende Sache“, findet Hobbs.Zum Beispiel können man ein vollmundiges, nachtschwarzes Imperial Stout gut und gern einmal miteinem Schokoladenlikör oder mit Rum mixen. „Ein guter Whiskey oder ein fassgelagerter Tequilagingen auch.“

Apropos und Stichwort Whiskey: Ob ihrer engen Verwandtschaft – immerhin werden Whiskey undBier aus denselben Zutaten (Wasser und Malz) gemacht und erst gegen Ende der Produktionscheiden sich ihre Wege – eignen sich Whiskey und Bier ganz wunderbar zum mixen und paaren.Hobbs‘ empfiehlt zum Beispiel einmal mit einem Bier-Whiskey- Sour zu starten. Cremige Stouts bietensich hier ganz besonders an. Oder wer es sich einen Schritt komplizierter machen will, der kocht auseinem dunkeln Bier eine Art Biersirup und mixt damit. Vor der Bittere mancher hopfenbetonter Bieremüsse man sich keineswegs fürchten, so der Barmann. Er und seine Kollegen wissen, dass eine
gewisse Bittere jedem Getränk ganz gut tut.

Bierco*cktails: Drink frisch gezapft (5)

Platz für neue Ideen (Foto. NAK)

Saure Biere, wie die bereits angesprochene Berliner Weisse, können hingegen die Basis eleganterSommerdrinks und Aperitifs sein. Ganz klassisch, aber dabei gar nicht simpel: Eine Berliner Weisse,rot oder grün, nur aber mit selbstgekochten Fruchtsirups oder erlesenen Likörchen gemischt. Das ist,muss man freilich zugeben, auch keine neue Erfindung: Tatsächlich hat man so die original BerlinerWeisse bereits in den goldenen Zwanzigern in der rauschenden Hauptstadt getrunken. Vorzugsweisemit Holunderblütensirup – oder frischem Waldmeister in einer Art Bowle.

Überhaupt hat das Thema Bierco*cktails eine gewisse Tradition, wenngleich dabei nicht von co*cktailsgesprochen wurde. In Großbritannien etwa gab es vor hundertfünfzig Jahren noch fast überallsogenannte „Beer Punches“ in den Bars der größeren Städte. Ein Klassiker etwa ist die Dog’s Nose,mutmaßlich der liebste Drinks des Novelisten Charles Dickens und im Grunde eine britische Art des Herrengedecks: Ein Schlückchen London Dry Gin in einem Pint Porter. Beer Punches haben wiederumihre Wurzeln im Mittelalter, als Bier noch als die gesündere Alternative zum oft Bakterienverseuchten Wasser war und von allen, von Jung und Alt, getrunken wurde. Insbesondere Jungschummelte sich durch die Zugabe von Kräutern und ähnlichem durch das wesenhafte Bittere einesBieres. Bisweilen wurden auch Heilpflanzen ins Bier gemischt – aus medizinischen Gründen.

Ein einzige, riesengroßes No-Go gibt es bei aller erlaubten Kreativität in der fabelhaft bunten Weltder Bierco*cktails dann doch: „Natürlich sollte man das Bier niemals shaken“, sagt Lee Daniel Hobbsund lacht. Eigentlich ja total klar, aber er sagt es trotzdem lieber mal. „Am besten ist es, das Bier aufden Drink zu zapfen.“ Mit Ruhe und Sorgfalt. So sieht es im Glas dann nämlich auch am Schönstenaus – mit einer soliden Schaumkrone auf dem extravagantem Getränk.

Bierco*cktails: Drink frisch gezapft (6)

Nicht geschüttelt – allerhöchstens gerührt (Foto: Klaas Twietmeyer)

co*ckTAIL REZEPTE

  • Dogs Nose
    360 ml Porter
    1 ½ Tl. brauner Zucker
    45 ml Genever oder Gin
    Eine Prise Muskat

Wärmender Winterdrink: Porter in einem Topf langsam auf ca. 60 Grad erhitzen, Zucker darinauflösen, in eine vorgewärmte Tasse füllen, Gin dazu und den Schaum mit Muskat garnieren.

  • Green Devil
    Absinth
    12 ml. Gin
    330 ml. Belgisches Blondbier (z.B. Duvel)

Tulpenförmiges Bierglas mit Absinth durchschwenken, Gin einfüllen, mit Blondbier auffüllen, so dasseine schöne, große Schaumkrone entsteht.

  • Coffee Stout Espresso Martini
    30 ml Tequila (silber)
    15 ml Agavensirup
    30 ml Espresso
    5 ml Vanille Extrakt
    45 ml Coffee Milk Stout/ anderes Stout
    Kaffeebohnen und Vanilleschote zur Dekoration

Tequila, Agavensirup, Esprrsso und Vanille in einem eisgefüllten co*cktailshaker mixen. In ein MartiniGlas füllen und mit Stout auffülllen – mit Kaffeebohne und Vanilleschote servieren.

  • Strawberry Blonde Brewjito
    12 ml heller Rum
    6 ml Zitronensaft
    6 ml Agavensirup
    60 ml Blond Beer/ Helles/ Lager
    1 Erdbeeren
    5 Minzblättchen

Erdebeere und Minze zerstoßen, Agavensirup dazu. Zitronensaft, Rum und Eis hinzufügen – shaken.Mit Bier aufgießen und vorsichtig über ein Sieb in ein gekühltes Glas füllen. Mit Erdbeeren und Minzegarnieren.

BÜCHER ZUM THEMA

  • co*cktails on Tap: The Art of Mixing Spirits and Beer von Jacob Grier (2015)
  • Beer co*cktails: 100 recipes using lagers, ales, stouts and more von Dave Adams (2017)
  • The Beertails Bible: Creative Recipes for Beer co*cktails von Jon und Lindsey Yaeger (2018)

Bierco*cktails: Drink frisch gezapft (7)

Bierco*cktails: Drink frisch gezapft (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Terrell Hackett

Last Updated:

Views: 5609

Rating: 4.1 / 5 (72 voted)

Reviews: 95% of readers found this page helpful

Author information

Name: Terrell Hackett

Birthday: 1992-03-17

Address: Suite 453 459 Gibson Squares, East Adriane, AK 71925-5692

Phone: +21811810803470

Job: Chief Representative

Hobby: Board games, Rock climbing, Ghost hunting, Origami, Kabaddi, Mushroom hunting, Gaming

Introduction: My name is Terrell Hackett, I am a gleaming, brainy, courageous, helpful, healthy, cooperative, graceful person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.